HERFORD, 29. Jan. 2011 Erbvertrag eines Unternehmerehepaars bringt rund 750.000 Euro ein
VON BERNHARD HÄNEL (Neue Westfälische)
Über den Tod hinaus wollte das kinderlos gebliebene Bauunternehmerehepaar Wilhelm und Ingeborg Richter Gutes tun. Es vermachte den Großteil seines Vermögens an den damaligen „Synodalverein für Innere Mission des Kirchenkreises Herford e. V.“. Notariell festgelegt wurde dies im März 1993.
Darin wurde der Synodalverein als Universalerbe bestimmt, kleinere Werte gingen an ausgewählte Teile der Verwandtschaft. Das frühere Wohn- und Geschäftshaus sollte „schwerpunktmäßig für die Seniorenarbeit“, der Erlös beziehungsweise Überschuss eines Sechsfamilienhauses zur Er- und Unterhaltung der Begegnungsstätte genutzt werden.
Detailliert aufgelistet wurden verschiedene Pflichten des erbenden Synodalvereins. Er sollte sich unter anderem um die Pflege des Ehepaares kümmern „unter Ausschluss jeglicher Beteiligung von Verwandten“. Zweimal jährlich sollte ein „gemütlicher Nachmittag mit den betreuten Senioren zum Gedenken an die Stifter“ veranstaltet sowie „würdig und sichtbar“ ein Schild „Wilhelm-und-Inge-Richter-Haus“ angebracht werden.
Ebenso wie die Eheleute unterschrieben dies mit der Feststellung „über die Bindungswirkung des Erbvertrages verständlich und hinreichend unterrichtet“ worden zu sein für die Erbnehmer die Pfarrer Dr. jur. Hans-Ulrich Höthker, Klaus Köllerwirth und Rudolf Knappmann.
Grundbucheintrag dauerte Jahre
Wilhelm Richter verstarb 1999 im Alter von 83 Jahren. Mit dem Tod seiner Frau Ingeborg, Tochter des in Herford angesehenen Schokoladenfabrikanten Julius Freese, trat vier Jahre später der Erbfall ein. Doch es gingen Jahre ins Land, bis die Erbschaft ins Grundbuch eingetragen wurde. Nur vier Monate dagegen dauerte es bis zum Verkauf der ersten Immobilie. Der Erlös soll mindestens 500.000 Euro betragen haben. Auch das zweite Erbe soll von Kirche und Testamentsvollstreckerinnen verkauft werden: Der Erlös der Immobilie mit Blick auf die Werre könnte, konservativ geschätzt, weitere 250.000 Euro betragen.
Ende gut, alles gut? Die beste Freundin der Toten, die verwitwete Pfarrersgattin Charlotte Wehrmann, berichtet von „großer Angst“ der Erblasserin vor den Personen und Institutionen, in deren Hände die Richters ihr Vermögen gegeben hatten. „Frau Richter traute zuletzt weder den Testamentsverwalterinnen noch der Kirche“, erinnert sich Wehrmann. Gleichzeitig jedoch habe ihre Freundin Inge gehofft und darum gebeten, dass Vertreter der Erben oder wenigstens ein Pfarrer sie besuchen kämen. „Vergeblich“, sagt die Freundin. „Die Kirche wollte das Erbe – mehr nicht“, sagt Wehrmann bitter enttäuscht. Zwölf Stunden vor ihrem Tod habe sie letztmals mit ihrer Herforder Freundin telefoniert. „Bei klarem Bewusstsein bat sie mich, dafür Sorge zu tragen, dass kein Pfarrer an ihr Grab tritt.“
Strafanzeige erstattet
Die Aussegnung der Verstorbenen nahm, nach Rücksprache mit einer Herforder Pfarrerin, der langjährige Vertraute der Familie Richter, Heinz-Günther Scheffer, vor. Der reichte, nachdem über Jahre keine Schritte zur Umsetzung des Letzten Willens der Erblasser erkennbar waren, bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Strafanzeige gegen Vertreter des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Herford (Rechtsnachfolgerin des Synodalvereins) und die Testamentsvollstreckerinnen ein.
Tenor der Anzeige: „Wesentliche Teile“ des Erbvertrages würden nicht eingehalten. Die Anzeige erhielt ein Aktenzeichen, wurde aber wegen bereits eingetretener Verjährung der Vorwürfe eingestellt.
In zahlreichen Briefen an den jetzigen Superintendenten Michael Krause sowie seinen Amtsvorgänger Gerhard Etzien hatte Scheffer mit der Kirchleitung über den nach seiner und auch Wehrmanns Ansicht bestehenden Vorwurf des „Vertragsbruchs“ sprechen wollen. Die Briefe blieben unbeantwortet.
Auskunft gab der Neuen Westfälischen schließlich der Vorstand des Diakonischen Werks, Christian Lümkemann. Der weist den Vorwurf des Vertragsbruchs weit von sich, räumt allerdings ein, dass „unter den obwaltenden Umständen, aber in enger Abstimmung mit den Testamentsvollstreckerinnen, nur ein Teil des Testaments umgesetzt werden konnte“.
Umgang „etwas schludrig“
Statt im Haus der Richters werde aus der Erbschaft eine bereits viele Jahre bestehende Altenbegegnungsstätte finanziert und nach den Eheleuten benannt, erläutert Lümkemann. Auch dieses Haus habe schließlich Richter gebaut: „Wir nehmen also nur andere Steine“, sagt der Diakonie-Vorstand. Auch die zweite der beiden ererbten Richter-Immobilien würden verkauft, der Erlös in eine Ingeborg-und-Wilhelm-Richter-Stiftung eingebracht. Damit werde man dem Stifterwillen „dem Sinne nach gerecht“. Dafür garantieren soll die vom Staat unabhängige kirchliche Stiftungsaufsicht beim Landeskirchenamt.
Während Lümkemann einräumt, dass der Umgang mit dem Erbe „etwas schludrig“ gehandhabt worden sei, nennt eine der befragten Testamentsvollstreckerinnen die verstrichene Zeit „einen Gewinn“. Diesen weiterhin mehren zu helfen, gingen beide auf Wunsch der Erben auch ins Kuratorium der künftigen Stiftung. Wehrmann aber glaubt nicht, „dass Inge zu Lebzeiten mit dieser Lösung einverstanden gewesen wäre“.