Herford, 05. Mai 2009 Ratsmitglied Heinz-Günther Scheffer bezieht Stellung
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
verehrte anwesende Herforder Bürgerinnen und Bürger,
verehrte Gäste,
wenn der städt. Haushalt verabschiedet wurde, sprach man früher ja wohl von einer Art „Sternstunde“ des Rates?
Ich gehöre dem Rat inzwischen mithin 10 Jahre an. „Sternstunden“ habe ich hier in der Zeit – zumindest in Verbindung mit der Haushaltsverabschiedung – noch nicht erlebt.
Erlebt habe auch ich allerdings zum Beispiel Fraktionsvorsitzende, die an solchen Tagen im Schottenrock oder schwarz gekleidet erschienen.
Und so habe auch ich mir in den letzten Jahren – als kleines „Schmankerl“ – angewöhnt, zur Haushaltsverabschiedung die an dem jeweiligen Tag im Westfalen-Blatt in der Rubrik „Weise Worte“ veröffentlichten Zeilen zu zitieren. Dort geht es heute um eine Aussage der amerikanischen Schauspielerin Audrey Hepburn:
„Niemand trägt auf einer Party so viel zur Unterhaltung bei wie diejenigen, die gar nicht da sind.“
Und stellen Sie sich vor. Ich habe auch dort durchaus einen Bezug zum aktuellen Haushaltsgebaren entdeckt!
Die zur Verabschiedung anstehende Haushaltssatzung 2009 sowie die Mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung 2009 bis 2012 sind – das haben wir gehört – bereits am 12. Dezember 2008 in Erster Lesung eingebracht worden.
Wie kürzlich die örtliche Presse richtigerweise reklamierte, sind seit dem fünf Monate ins Land gezogen. Es hätte die Zeit gar gereicht, um zumindest den kompletten Text der Haushaltsatzung auswendig zu lernen.
Wichtiger wäre es allerdings aus unserer Sicht – der Sicht der Freien Wähler – gewesen, die vorliegenden Zahlen – gemeinsam mit den Verantwortlichen einschließlich der Abteilungsleiterebene – im Detail zu beleuchten und abzuarbeiten.
Denn es bringt unseres Erachtens nichts, nach inzwischen fünf Monaten letztendlich öffentlich über eine „Handvoll“, z.T. ideologisch geprägter Detailpunkte zu diskutieren, bei denen es darum zu gehen scheint, welches politische Lager seine jeweils vermutete Klientel recht oder schlecht vor Einsparungen zu bewahren versteht.
Wenn ich die vorangegangenen Redebeiträge recht interpretiere, geht es zum Teil aber nicht einmal darum.
Vielmehr scheint der ganze Ehrgeiz der einen Seite darin zu bestehen, hier heute einmal mehr deutlich werden zu lassen, dass der amtierende Bürgermeister noch immer nicht über eine Ratsmehrheit verfügt, während es der anderen Seite vornehmlich darum zu gehen scheint, vor diesem Hintergrund dann eben einen „Allparteien-Haushalt“ zu verabschieden?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gut, dass wir als Freie Wähler der „Liste 2004 – Initiative für Herford“ weder dem einen noch dem anderen Lager beitreten müssen, bzw. beigetreten sind.
Sie akzeptieren dies erfreulicherweise. Und ich möchte es nicht versäumen, mich bei beiden Lagern dafür zu bedanken, dass Sie – in Würdigung unserer frühzeitigen Positionierung – davon abgesehen haben, auch nur den Versuch zu unternehmen, uns, bzw. mich gar als simple „Mehrheitsbeschaffer“ zu gewinnen zu versuchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Budget-Hoheit liegt bekanntlich beim Rat. Sie impliziert eines unserer wenigen Sonderrechte, als Rat selbst eine Haushaltssatzung zu schneidern.
Und natürlich gibt es Räte, die sich aufgemacht haben, so zu verfahren. Trotzdem sollten wir sicher gar nicht erst versuchen, ohne die Verwaltung und/oder fachlichen Rat, einen eigenen Haushaltsentwurf einzubringen.
Es reicht aber auch nicht, sich – Jahr für Jahr – von der Verwaltung mit einer fest gefügten Haushaltssatzung überraschen zu lassen, um dann – Wochen später – partiell den Daumen einzuschieben, um über die Themen, die in den letzten Tagen öffentlich thematisiert worden sind, zu streiten, als biete der vorliegende Entwurf sonst keinerlei Flanken, oder auch Reserven.
Deshalb haben wir – die Freien Wähler – wie all die Jahre zuvor, auch in diesem Jahr frühzeitig die Forderung erhoben, den Haushalt 2009 gemeinsam mit der Verwaltung – eben einschließlich der Abteilungsleiterebene – Punkt für Punkt durchzuforsten, um zu schauen, welche Bedarfe dort überhaupt im Einzelfall formuliert werden; aber auch, um gemeinsam, kritisch konstruktiv zu prüfen, wo evtuell noch „Reserven“ lauern.
Was hätte – liebe Kolleginnen und Kollegen – dagegen gesprochen, zumindest den Versuch zu unternehmen, einmal so vorzugehen? Nichts!
Unseres Erachtens hatte gerade der längst überfällige Wechsel vom kameralen Haushaltsplan hin zum doppischen kommunalen Rechnungswesen die Chance geboten, dieses neue Instrument gemeinsam anzugehen und einvernehmlich auf den Weg zu bringen.
Statt dessen haben wir uns im Dezember von der Verwaltung wiederum ein „fertig geschnürtes Hauhaltspaket“ vorlegen lassen.
Verantwortlich dafür zeichnet die Verwaltung mit dem SPD-Bürgermeister an deren Spitze.
Die Federführerschaft für die heute zu verabschieden gewünschte Haushaltssatzung liegt hingegen beim Kämmerer, der seit dieser Ratsperiode einem anderen politischen Lager als der Bürgermeister zuzurechnen ist.
Aber wo – liebe Kolleginnen und Kollegen – spielt denn die „Musik“?
Die Schlüssel zur „Kriegskasse“ – das sollte jedem von uns bewusst sein – verwahren die beiden Geschäftsführer der städtischen Holding HVV GmbH Schürkamp und Jeretzky.
In dem Zusammenhang sollten wir die die Einbringung der Haushaltsatzung begleitenden grundsätzlichen Worte des Kämmerers vom 12. Dezember 2008, aber auch die Ausführungen des weiteren HVV-Geschäftsführers im Pressegespräch am 03. April 2009 zu den erforderlichen Sparmaßnahmen sowie zu HERKON 2020 recht interpretiert haben.
Anders als der Bürgermeister im Pressegespräch am 10. April 2009, hat Herr Jeretzky zuvor sehr deutlich aufgezeigt, in welchen Bereichen wir unüberhörbar an Grenzen stoßen, bzw. wo die Grenzen bereits deutlich erkennbar überschritten sind.
Da bringen uns die in diesen Tagen öffentlich diskutierten sogenannten bloßen „Verschiebebahnhöfe“ keinen Schritt weiter.
Wir sollten also – liebe Kolleginnen und Kollegen – unseres Erachtens darauf verzichtet haben, den am 12. Dezember 2008 in Erster Lesung eingebrachten Satzungsentwurf der Verwaltung als
gegeben anzunehmen, um dann nur noch hier und dort einen optischen, oder gar ideologisch geprägten „Austausch“ weniger Einzelpositionen vorzunehmen.
Wer nur austauscht unterliegt eben gleichsam einer Täuschung.
Dass die Gewerbesteuer als unsere nahezu ausschließliche Einnahmequelle – auch ohne frühzeitig erkennbare Wirtschaftskrise – nicht etwa weiter linear steigen würde, sollte doch bitte jedem von uns klar gewesen sein.
Wenn wir dann trotzdem an keiner Stelle schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen bereit waren und weiter sind, so ging es darum, alternativ zusätzliche Einnahmen zu generieren. Auch das entspricht dem Handeln in einem modernen, erfolgsorientiert geführten „Konzern“.
In Verbindung mit dem Begriff „Konzern Stadt“ und der Forderung, die Einnahmen zu steigern zu versuchen, gelangt man automatisch auf das Thema der aktiven Wirtschaftsförderung.
Wirtschaftsförderung gehört dazu, und muss ebenso innovativ wie kreativ sein. Sie muss zeitgemäße neue Wege gehen. Und natürlich ist sie immer „Chefsache“. Der Chef hat hier gleichsam sowohl Türöffner als auch Wegbegleiter zu sein.
Eine Stadt, deren Wirtschaft erfolgreich ist, ist auch in der Lage, sodann verteilen zu können, Partizipation zu gewährleisten.
Wer sich vor dem Hintergrund – liebe Kolleginnen und Kollegen – die mancherlei Sparvorschläge, die im Einzelfall über die Erhöhung z.B. von Parkgebühren nicht hinaus gehen, anschaut, der erkennt einmal mehr, wie wichtig es gewesen wäre, sich – abteilungsweise – mit allen Positonen des städtischen Verwaltungshaushaltes befasst zu haben.
Ein Satzungsentwurf, der bereits vor seiner Dritten Lesung obsolet ist, hat den Anspruch auf jede mehrheitliche Verabschiedung schon im Vorfeld verwirkt.
So schaue man sich die „Sparliste“ der Verwaltung an: Sie beginnt ausgerechnet mit der Reduzierung der Ausgaben für Rechtsmittelverfahren.
Bitte gestatten Sie mir – neben aktuellen Ausführungen aus den Dezernaten, man lasse es im Einzelfall auf einen Rechtsstreit ankommen – die Bemerkung, dass ich einen solchen Vorsatz einem Bürgermeister, der teure Strafverfahren gegen Ratsmitglieder einleiten lässt, die nicht mehr als die Wahrheit sagen, nicht abzunehmen vermag.
Dies gilt gleichermaßen – meine Damen und Herren – für weitere Positionen der „Sparlisten“ der letzten Tage.
Auch, wenn es in der Politik gern und oft heißt, man dürfe nicht zurück schauen, so gestatten Sie mir bitte dennoch einen kurzen Rückblick in das Jahr 2008.
War die Stimmung nicht die gleiche wie heute?
Haben wir nicht ebenso lamentiert, dass – um den amtierenden Bürgermeister zu zitieren – „das Ende der Fahnenstange“ erreicht sei?
Und was ist dann geschehen?
Wir haben trotzdem z.B. Dinge, wie den schildaverdächtigen Wallsteg gebaut, die keine Bürgerin, kein Bürger bestellt haben.
Am Bergertor haben wir – fast möchte man sagen „vorsätzlich“ – mithin € 650.000,00 schlicht „in den Sand gesetzt“. Beim Radewiger Wehr waren es „nur“ rd. € 180.000,00.
Als die dortigen Hauseigentümer im letzten Sommer im Ratskeller begründertermaßen um die Standsicherheit ihrer an Aa und Wehr gelegenen Liegenschaften fürchteten, tranken die Veranwortlichen ihr Bier auf der in der Form zum Scheitern verurteilten „neuen Vision“, um die besorgten Bürgerinnen und Bürger mit dem Pressesprecher des Bürgermeisters allein zu lassen.
Damit landen wir prompt in der zweiten Spalte der ersten „Sparliste“ der Verwaltung – dem Punkt Einsparung an „Werbungskosten für Jahrmärkte“.
Ich möchte darauf verzichten, die weiteren Punkte der diversen „Sparlisten“ aufzurufen. Dies auch, um Wiederholungen zu vermeiden, zumal unsere Position zum Beispiel bezüglich des ebenso wichtigen wie ehrgeizigen „Offenen Ganztags“ bereits hinlänglich bekannt ist.
Sie, Herr Bürgermeister, haben es in Ihrer verantwortlichen Position – ohne große Mühen – jedenfalls geschafft, sich abseits des vorliegenden Satzungsentwurfes der Verwaltung zu stellen?
Ohne die erforderlichen, bzw. überfälligen Sparmaßnahmen etwa öffentlich unmissverständlich zu verbalisieren sowie mutig und konsequent zu verteidigen, haben Sie den Ball den Parteien im Rat zuzuspielen versucht. Und zumindest das ist Ihnen gelungen.
Statt unserem Vorschlag nach Einbeziehung der Abteilungsleiterebene zu folgen, gemeinsam verantwortlich eine Satzung zu erarbeiten, haben Sie den Verwaltungsentwurf kurzerhand zur Diskussion, bzw. Disposition gestellt, und – auf halber Strecke – um „Gegenvorschläge“ nachgesucht.
Und prompt hat sich eine neue Mehrheit gefunden, die den Ehrgeiz entwickelt zu haben scheint, für Sie die Verantwortung für Ihren Schuldenhaushalt 2009 zu übernehmen?
Der Ehrgeiz dieser neuen Mehrheit scheint sich allerdings – um es wiederholen zu dürfen – ausschließlich darauf zu reduzieren, dass man zu glauben scheint, es gehe allein darum, hier heute öffentlich deutlich werden zu lassen, dass Sie in diesem Hause eben über keine Mehrheit verfügen?
Gemeinsames Ziel sollten hingegen ein ehrgeiziger Sparhaushalt und eine ausgewogene Ergebnis- und Finanzplanung 2009 bis 2012 gewesen sein.
Das setzt Fleiß, Mut – auch zu neuen Wegen -, Flexibilität, Kreativität und Innovativität im Bereich aller Handlungsfelder voraus.
Wir Freien Wähler sind – das haben wir inzwischen unter anderem bezüglich des ehemaligen Kauhof-Areals mehr als überzeugend unter Beweis gestellt – jederzeit bereit und in der Lage, gemeinsam neue Wege zu gehen.
Gern leisten wir – die Freien Wähler der „Liste 2004 – Initiative für Herford“ – unseren Betrag, wenn es darum geht, den Standort Herford weiter attraktiv zu erhalten und auf den leider immer wieder in Vergessenheit zu geratenen scheinenden einmaligen Fundamenten Herfords Bewährtes zu bewahren und erlebbar zu machen sowie Neues zu gründen.
Das Rathaus ist schließlich kein Rasthaus!