Berlin, den 30. Juni 2010 – Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff
„Hochverehrte, sehr geehrte Damen und Herren und Mitglieder der 14. Bundesversammlung. Ich möchte mich zuerst einmal für das entgegengebrachte Vertrauen ausdrücklich und von Herzen bedanken.
Ich denke, das ist eine Abstimmung gewesen in freier und geheimer Wahl, wie es in den letzten Wochen auch zurecht von vielen Seiten immer wieder eingefordert wurde, und wie es auch heute Morgen der Präsident des Deutschen Bundestages zurecht, denke ich, hervorgehoben hat, dass jede Wahlfrau und jeder Wahlmann hier in dieser Bundesversammlung völlig frei war und nach eigenem Gewissen zu entscheiden hatte in der Wahlkabine.
Und ich freue mich darüber, dass ich am Ende im dritten Wahlgang mit absoluter Mehrheit von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden bin.
All denen, die eine andere Wahlentscheidung getroffen haben, bekunde ich selbstverständlich meinen Respekt. Ich bin überzeugt, dass es auch mit ihnen zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit kommen wird. Ich jedenfalls werde mich sehr bemühen, auch vielen ihrer Erwartungen gerecht zu werden. Danken möchte ich vor allem dafür, dass wir einen in jeder Hinsicht, in jeder Phase sehr fairen Wettbewerb um das Amt des Bundespräsidenten erlebt haben.
Und deshalb danke ich vor allem Joachim Gauck, der diesen fairen Wettstreit, wie wir ihn erlebt haben – und ich habe Sie noch mehr schätzen gelernt – und freue mich darüber, dass Ihr Wort weit über Deutschland hinaus auch weiterhin großes Gewicht haben wird. Herzlichen Dank dafür, Herr Gauck.
Eines der wesentlichen Wesenselemente von Demokratie ist, dass man auswählen kann, dass man gewinnen kann und dass man verlieren kann. Ich will es jetzt nicht übertreiben, Sie wollen auch alle noch nach Hause, aber aus Niederlagen habe ich eigentlich immer noch mehr gelernt als aus Siegen.
Und wenn ich Ihnen sage, dass mein Antritt als Ministerpräsident im dritten Anlauf neun Jahre gedauert hat, dann war die Bundesversammlung heute relativ kurz.
Ich möchte hier und nicht nur am Freitag ausdrücklich meinem Amtsvorgänger Bundespräsident Prof. Horst Köhler und seiner Gattin dafür danken, dass sie mit ihrem Auftreten, Sympathie, die Herzen vieler, vieler Menschen gewonnen haben, mit Engagement für Familien und Kinder, mit Einsatz für Afrika und Aufruf zu Veränderung Maßstäbe gesetzt haben.
Horst Köhler wollte Deutschland dienen, und ich bin davon überzeugt, er hat Deutschland gedient. Dafür möchte ich ihm und seiner so überaus erfolgreich engagierten Ehefrau auch an dieser Stelle in dieser Bundesversammlung herzlich Dank sagen.
Der schönste, der größte Augenblick in unserer Geschichte der Bundesrepublik Deutschland war sicher die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Und ich freue mich darauf, dass wir dies gemeinsam in Bremen am 3. Oktober bei Herrn Bürgermeister Börnsen werden feiern können.
Und es ist für mich besonders bewegend, dass ich im 20. Jahr der Deutschen Einheit zum Bundespräsidenten gewählt wurde, weil ich nunmehr auch in dieser Position vor allem beitragen möchte zur inneren Zusammenarbeit, zur inneren Einheit unseres Landes und zu einem noch besseren gegenseitigen Verständnis.
Denn das sollte uns als Bundesversammlung doch besonders bewegen, dass wir demokratisch frei und wiedervereinigt sind und hier in Berlin tagen, wenige Meter von der Mauer, der ehemaligen Mauer entfernt, die damals durch mutige
Menschen zum Einsturz gebracht wurde…(lautes Klatschen).
Wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob die Linke, die Sozialdemokraten, die Grünen, die Liberalen, die Christsozialen, dieChristdemokraten – wir alle tragen gemeinsam Verantwortung für unser Land, für unser Gemeinwesen, für unsere Demokratie.
Es ist unser Land, es ist uns anvertraut. Wir wollen es in einem Zustand an kommende Generationen weitergeben, zumindest so gut im Zustand erhalten, den wir in unserem Land vorgefunden haben.
Wir haben eine gemeinsame Zukunft und die gerade auch in unseren Händen liegend. Wenn wir auf eine offene, eine vielfältige Landschaft in Deutschland blicken, wenn wir gemeinschaftliches Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand in einem vereinten Europa und einer globalisierten Welt gedeihen lassen wollen, dann brauchen wir alle Menschen in unserem Land, jede und jeden dort, wo er sich einbringen möchte.
Und Parallelgesellschaften in unserem Land verhindern wir am ehesten dadurch, dass wir aufeinander zugehen und nicht aneinander vorbei leben. Da werde ich sicher einen besonderen Schwerpunkt auch am Freitag hier vor Ihnen erläutern dürfen.
Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein wunderbares Land. Das weiß man nicht nur, wenn man nach Deutschland aus Auslandsreisen zurückkehrt. Deutschland ist unsere Heimat. Deutschland ist eine Geschichte, die uns in besonderer Weise verpflichtet vielen gegenüber. Deutschland hat eine Zukunft, die uns aufgegeben ist. Gott beschütze unser Land. Vielen Dank.“