Herford, 12. August 2008 Wann profitieren eigentlich die Endverbraucher?
Eine Sondersitzung des Rates muss einen besonderen Hintergrund haben. Aber worum geht es, wenn die 44 Ratsmitglieder am Montag – erstmalig nach der „Sommerpause“ – auf Einladung des Bürgermeisters zusammen treten?
Wieder einmal geht es um Entscheidungen, die die „Allzuständigkeit“ eines diesbezüglich eher unbedarften Ratsmitgliedes deutlich strapazieren dürften.
Wer kann überhaupt ernsthaft davon überzeugt sein, richtig zu entscheiden?
Auf welcher Grundlage kann ein Ratsmitglied – selbst Bürgerin, bzw. Bürger der Stadt – guten Gewissens entscheiden, ob es klug ist, dem „Konsortialvertrag INTERARGEM GmbH“ (IAE) zuzustimmen, oder gar die von der Stadt Herford / HBG gehaltenen IAE-Anteile zum 31. Dezember 2008 zum Beispiel an E.ON Energie München zu veräußern?
Wie bereitet sich ein Ratsmitglied auf eine solche, für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Herford möglicherweise folgenschwere Entscheidung vor? Reicht es, sich die Entscheidung von der Fraktionsspitze seiner Partei vorgeben, bzw. gar „vorschreiben“ zu lassen?
Über ein wenig(!) mehr Hintergrundwissen verfügen zumindest die dreizehn Ratsmitglieder, die gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrates der Herforder Versorgungs- und Verkehrs-Beteiligungs-GmbH (HVV) sind. Ihnen ist immerhin Mitte Juni des Jahres eine Einschätzung des Projektes „regi.on“ durch den seitens der HVV beauftragten Fachmann u. Wirtschaftsprüfer Rudolf Böck sowie dessen Kollegen RA Wolfram von Blumenthal der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) zuteil geworden.
Nach meiner Einschätzung geht es wieder einmal darum, dass sich auch in diesem Fall erneut – auf Initiative und Drängen, bzw. Druck des E.ON-Konzerns – Vertreter der Konzernspitze und Vertreter auch der Stadt Herford an einen Tisch begeben, um einmal mehr Beschlüsse herbei zu führen, die die Position des E.ON-Konzerns stärken und die Position auch der Stadt Herford langfristig weiter schwächen.
Dass selbst von Herforder Entscheidungsträgern, bzw. -machern gar ein Stimmungsbild gezeichnet wird, bei welchem mittelfristig der Erhalt von Arbeitsplätzen und Möglichkeiten der Entschuldung der HVV, die wir seit Jahren systematisch „zu Tode reiten“, in den Vordergrund gerückt werden, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass wir uns mehr und mehr entblößen.
Manchmal frage ich mich, ob der eine oder andere Herforder „Meinungsbildner“ bei der Verteidigung seiner Entscheidungen nicht bereits sein persönliches Dienstzeitende im Auge hat? Getreu dem Motto: „So lange wird es ja wohl noch gut gehen“.
Auch, wenn ein auch nur halbwegs intaktes Erinnerungsvermögen sowie eine kritisch konstruktive Rückschau nicht zu den Stärken von Rat und Verwaltung gehören mögen, erinnern wir uns:
Da gab es eine „Laar-Pleite“. Der Schaden betrug seinerzeit rd. DM 120.000.000. Haben wir damals nicht die MVA, über die wir gerade sprechen, „künstlich“ veräußert, um wieder „liquide“ zu sein. Ausgerechnet den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Herford hat der „Deal“ übrigens bis heute überzogene, marktunübliche Kosten für die Müllverbrennung beschert.
Zumindest der damalige Oberkreisdirektor Henning Kreibohm (SPD), später – als Anwalt – anlässlich der Ausgründung der SWK von der Firma SULO mandatierter „Moderator“, der uns seinerzeit eine Technik-Akademie auf dem SULO-Campus versprach, und heute Mitglied des Normenkontrollrates in Berlin, erinnert sich gewiss.
Nehmen wir ein jüngeres Beispiel aus dem Bereich Ver- und Entsorgung, welches das Erinnerungsvermögen vielleicht weniger strapaziert:
Als es – im Rahmen der „Liberalisierung des Strommarktes“ – darum ging, aus strategischen Gründen gegenüber E.ON eine solide „kommunale Mehrheit“ zu organisieren, war es der Nachfolger Henning Kreibohms, Landrat Hans-Georg Kluge (CDU), der – auf der Grundlage eines von ihm bei der namhaften Berliner Kanzlei White & Case, Feddersen in Auftrag gegebenen Gutachtens Herrn Prof. Dr. Klaus Finkelnburgs – die EMR-Anteile des Kreises veräußerte.
Da die Stimmen der CDU im Kreistag dazu nicht reichten, waren es seinerzeit die beiden frisch gebackenen FDP-Kreistagsmitglieder Stephen Paul und Olaf Birkenstock, die dem CDU-Landrat zu einer dem Finkelnburg-Gutachten entsprechenden Mehrheit verhalfen.
Die Folge: E.ON nahm uns sogleich die beiden Kraftwerke. Und der damalige Verkaufserlös? Er sollte u.a. bis einschließlich 2007 auf die überzogene Kreis- umlage angerechnet werden.
Wenn es zumindest angesichts der jetzt anstehenden Entscheidungen Mandatsträger gibt, die bereits die Sorge äußern, dass die zu generierenden kurzfristigen Veräußerungsgewinne „versickern“ könnten, so gilt dies ja wohl auch für die seinerzeitigen Verkaufserlöse des Kreises?
Verlierer waren wieder einmal die Bürgerinnen und Bürger – in dem Fall des Kreises Herford. Einzige „Gewinnerin“ mag – neben dem E.ON-Konzern sowie den professionellen Beratern und dem amt. Notar – damals die Schwester Stephen Pauls gewesen sein, die anschließend die letzte Station Ihres Jura-Studiums bei White & Case absolvieren konnte?
Auf die Entscheidungen bzgl. der Putoption zum 30. Juni 2006 einzugehen, kann ich mir an dieser Stelle ersparen. Um die von uns gehaltenen Anteile abzuwerten, hat E.ON halt kurzerhand für eine hausinterne Konkurrenz gesorgt.
Daher halte ich auch die Sorge für begründet, dass wir langfristig keine realistische Chance gegen Großanbieter wie E.ON haben, wenn wir auf die Idee kommen sollten, aus aktuell zu erzielenden Verkaufserlösen die an E.ON veräußerten Anteile der einst ebenfalls stolzen Stadtwerke Herford GmbH zurück zu erwerben. Das gesetztlich vorgeschriebene „Unbundling“ allein bietet da m.E. jedenfalls keinen hinreichenden Schutz.
Ich bin es – ehrlich gesagt – leid, mir Meinungen vorgeben zu lassen, die mich erkennen lassen, dass wir – die Bürgerinnen und Bürger – die „Looser“ sind.
Es kann doch nicht sein, dass wir auf Dauer tatenlos zusehen, dass uns Konzerne – über die lebenswichtige Grundversorgung mit Strom, Gas und Wasser sowie künftig auch die Entsorgung – in den Dauerwürgegriff nehmen, um uns – zur Konzern-Gewinnoptimierung – Preise vorzuschreiben, die viele Haushalte schlicht und ergreifend nicht mehr bezahlen können.
Wann gedenken uns die gewinnorientiert wirtschaftenden Ver- und Entsorgungskonzerne und deren Management denn endlich partizipieren zu lassen? Die Gewinnoptimierung muss schließlich auch die Basis erreichen.
Wie mag einer Familie, die ihre Rechnungen nicht bezahlen kann, zumute sein, wenn sie andererseits täglich erlebt, bei welchen Großveranstaltungen etc. E.ON zum Beispiel als Hauptsponsor auftritt.
Das fängt übrigens vor Ort an: Wenn morgen das Hoekerfest 2008 beginnt, so ist für die Bürgerinnen und Bürger dem Programmheft zu entnehmen, dass selbstverständlich auch dort – neben hoch verschuldeten städtischen Töchtern – E.ON als Sponsor auftritt.
Wie erklären wir es – zum Beispiel in der Rolle des Herforder Bürgervertreters – notleidenden Bürgerinnen und Bürgern, denen es Monat für Monat schwer fällt, Strom, Gas und Wasser bezahlen zu können, dass sie gleichze
itig auch noch als „Sponsor“ für kleine und große Veranstaltungen aufzukommen haben?
Auch der allseits geachtete Altbundespräsident Roman Herzog hat bereits bezweifelt, „ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch unbeschränkt als parlamentarische Demokratie bezeichnen kann.“
Richten wir unser Augenmerk demnächst auf die Kampagnen der örtlich und überörtlich antretenden Parteien zu den im kommenden Jahr bevorstehenden Wahlen: „Zuerst der Bürger!“ o.ä. wird wiederum auf dem Panier stehen.
Und dieses löbliche Ansinnen – hoffentlich kein Lippenbekenntnis – müssen wir umsetzen. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger. Recht haben sie!
Heinz-Günther Scheffer