Heinz-Günther Scheffer, Ratsmitglied der „Liste 2004 – Initiative für Herford“
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren von der ‚Koalition‘,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
verehrte Gäste,
als Verfechter der Redezeitbegrenzung möchte ich mich kurz fassen dürfen, zumal es hier im Saal – wie in den letzten Jahren – kaum jemanden geben dürfte, der – spätestens nach der neuerlichen „Elefantenhochzeit“ von CDU und SPD – Zweifel an der Verabschiedung des am 31. März eingebrachten Haushaltplanes 2006 hegt.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, einen ganz kurzen Rückblick nur auf die letzten 6 1/2 Jahre, die ich diesem Rat bisher angehören durfte.
In den 5 Jahren der letzten Ratsperiode habe ich hier eine absolute Mehrheit der von Ute Blanke geführten CDU-Fraktion mit ihren seinerzeit noch 27 Mitgliedern erlebt.
Ihr Vorgänger, Herr Bürgermeister, hatte also ein vergleichsweise „leichtes Spiel“. Natürlich ist uns aber auch noch in Erinnerung, dass es hier eingangs der letzten Ratsperiode einen Kämmerer – i.ü. einen „echten“ Beigeordneten – gegeben hat, der sich von dem Haushaltsplan des Bürgermeisters distanzierte, um anschließend den Arbeitgeber zu wechseln.
Dass ausgerechnet dieser Mann heute zu Ihren Beratern – Sie sprachen von einer „1-€-Kraft“ – zählt, sehr geehrter Herr Bürgermeister, möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen. Nur so viel: Gelegentlich habe ich das Gefühl, dass sie durchaus „schlecht“ beraten sind.
Machen wir an dieser Stelle einen kl. Zeitsprung: Im letzten Jahr kündigte sich hier dann am Montag vor der entscheidenden Sitzung durch Herrn Wienböker eine „Allianz“ aus SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP an.
Der damalige durchaus unausgegorene Schuldenhaushalt 2005 wurde von diesem „Dreigestirn“ durchgewinkt.
Dafür gab es für die beiden Juniorpartner dieser „unheiligen Allianz“ in einem Fall die Sonderstellung des Trägers „femina vita“ und im anderen Fall die „Hundewiese“ hinter der Praxisklinik an der Hansastraße.
Der von Ihnen zuvor durchgehechelte Schuldenhaushalt 2005 wurde dann eben zeitversetzt – also nachträglich – durch Sie, lieber Herr Kentsch und durch Sie, lieber Herr Even, durchaus kritisiert.
Plötzlich war von Ihnen zeitgleich u.a. zu hören, dass die Gewerbesteuer viel zu hoch in Ansatz gebracht worden sei, dass die Erhöhung der Kreisumlage mit ihren damals 1,9 % keine Berücksichtigung gefunden habe und dass sogar die routinemäßig steigenden und somit natürlich bekannten Personalkosten im Ansatz vernachlässigt worden seien.
Ich unterstelle gerade bei Ihnen beiden, die Sie zu den wenigen Ratsmitgliedern zählen, die eine Bilanz lesen können, dass diese Mangelpunkte Ihrem wachen Auge durchaus auch bereits vor der Verabschiedung des Haushaltes 2005 aufgefallen waren.
Aber, meine Damen und Herren, der Kämmerer hat uns schließlich alle „Lügen gestraft“!
Er hat mit seinem tollkühnen Gewerbesteueransatz im letzten Jahr nicht nur Recht behalten.
Die erfolgreichen Gewerbetreibenden unserer Stadt haben ihm noch gleich einige Millionen oben darauf gelegt.
Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle – trotz der Freude darüber – zumindest einen kleinen Tropfen Wasser in den Wein gieße: So groß die Freude über die Gewerbesteuer-einnahme sein mag, so bedeutet das doch gleichzeitig, dass sich – parallel dazu – natürlich die Schlüsselzuweisungen auf „Null“ (0,08) reduziert haben.
Aber gern zurück zu der positiven Entwicklung der Gewerbesteuereinnahme des letzten Jahres:
Für unseren mutigen, um nicht zu sagen ‚übermütigen‘ Kämmerer, war das Ergebnis Grund genug, den heute hier zur Verabschiedung anstehenden Haushaltsplan 2006 und auch die weitere Vorausschau bis 2009 mit den gleichen Zahlen auszuschmücken.
Und natürlich fehlte bei der Einbringung am 31. März d.J. auch wieder die Erhöhung der Kreisumlage in der Höhe von in diesem Jahr immerhin 2,8 %, wodurch das im Haushaltsplan ausgewiesene strukturelle Defizit schon allein dadurch, meine Damen und Herren, natürlich nicht bei 6,3 Mill., sondern mind. bei 8 Mill. € liegt.
Klar, dass auch in diesem Jahr – zur ‚Abrundung‘ des Ganzen – mit dem Eigenkapital unseres Abwasserwerkes jongliert wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie weit Sie in den Haushaltsplan eingestiegen sind, bzw. die Dinge sehen:
M.E. ist das weitere Jonglieren mit dem Eigenkapital des Abwasserwerkes nicht etwa akzeptabel:
Im Verwaltungshaushalt ist die Eigenkapitalverzinsung mit 761.951 € als Einnahme berücksichtigt (5,7 % von 13.367,6 T€ EK, Haushaltsstelle 1.91001.2055, S. 301).
Im Wirtschaftsplan des Abwasserwerkes ist die Eigenkapitel-Verzinsung 2006 jedoch nur mit 21.000 € enthalten (Anlage XI, S. 6 des Haushaltsplans).
Im Vermögenshaushalt wird zum Defizitausgleich die Rückzahlung des Rest-Eigenkapitals mit 3.067,7 T€ ausgewiesen (Haushaltsstelle 2.70101.3301, S. 103, auch Vorbericht S. 3, Abs. 4).
In Tabelle 8 des Vorberichtes liest man, dass die Rückforderung des Eigenkapitals des Abwasserwerkes in Höhe von 13,3 Mio. € nicht realisiert wurde, was zu erheblichen Zinsersparnissen geführt habe.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer blickt da noch durch?
Wenn ich – meine Damen und Herren von der „Koalition“ – Ihren mit „gemeinsame Veränderungsliste der Fraktionen CDU und SPD zum Entwurf des Haushalts 2006“ überschriebenen Anhang zu Ihrer Koalitionsvereinbarung sehe, so ist dem ja doch zu entnehmen, dass zumindest Sie keine Fragen zum Haushaltsplan 2006, den Herr Even kürzlich delikaterweise als „Märchenbuch“ bezeichnet hat, haben?
Ihre Veränderungsliste erschöpft sich in einer Unterstützung von Härtefällen i.S. „Lernmittel“ in einer Höhe von 5.000 € sowie einem festgeschriebenen Betrag in Höhe von € 60.000 für die verbleibenden rd. 2,8 km Wall; quasi als „Feigenblatt“ für Ihr unverständliches Festhalten an 200 m „Wallausbau“ für € 380.000,00, die nun wirklich keine Bürgerin u. kein Bürger dieser Stadt – erst recht nicht zu den Konditionen – bestellt hat?
Aber vielleicht hatten Sie, meine Damen und Herren von der „Koalition“, mehr Glück als ich, was Gespräche mit dem Bürgermeister und dem Kämmerer über den vorliegenden Haushaltsentwurf, bzw. Fragen dazu betrifft?
In dem Zusammenhang fällt mir z.B. die kürzliche Presseberichterstattung der SPD ein, der immerhin zu entnehmen war, dass der Bürgermeister und unsere derzeit noch 4 Dezernenten bei der SPD zu Gast gewesen seien, um dort Vorträge zum Haushaltsentwurf 2006 zu halten und Fragen zu beantworten.
Dagegen waren wir selbstverständlich bescheiden! Was unsere durch mich im Rat vertretene unabhängige Wählergemeinschaft „Liste 2004 &
ndash; Initiative“ für Herford“ betrifft, so haben wir den Bürgermeister seit dem 12. April 8 x vergeblich um ein Gespräch zum Haushaltsentwurf 2006 gebeten.
Ich darf Ihnen sagen, dass wir darauf bis heute nicht einmal eine Antwort erhalten haben.
Ähnlich ist es uns mit dem Kämmerer – nach unserem dortigen Erstgespräch zum Haushaltsplan 2006 am 26. April – ergangen, der uns auf unsere weiteren Bemühungen um ein Gespräch seit dem 30. April zumindest gestern hat mitteilen lassen, dass ein Gesprächstermin am 24. Mai – Sie haben richtig gehört, am 24. Mai – also nach(!) der Verabschiedung des Haushaltes möglich sei.
Nicht versäumen möchte ich an dieser Stelle natürlich, den Dezernenten – besonders auch Herrn Meier vom Stabsbereich 6 (Rechnungsprüfung) – ansonsten verbindlich zu bedanken, die uns z.T. wiederholt ohne jede zeitliche Begrenzung Rede und Antwort zum heute zu verabschieden gewünschten Haushaltsentwurf 2006 gestanden haben!
Dass – obwohl wiederholt erbeten – Gespräche nicht in allen Fällen möglich waren, ist natürlich „Wasser auf Ihre Mühlen“, lieber Herr Even, der Sie kürzlich mutmaßten, ob es in diesem Rat neuerlich möglicherweise gar Ratsmitglieder erster und zweiter Klasse gebe.
Wir – das darf ich Ihnen sagen – haben inzwischen den Eindruck, zumindest auch in diesem wichtigen Fall des Haushaltsplans 2006 vom amt. Bürgermeister geradezu „drittklassig“ behandelt zu werden.
Bei der Bahn hätte man früher von der „Holzklasse“ gesprochen.
Wir haben daher auch darauf verzichtet, hier heute einen eigenen Änderungsantrag einzubringen, davon ausgehend, dass dieser eh keinerlei Beachtung gefunden hätte, zumal sich Bürgermeister und Kämmerer – nach der neuerlichen Allianz aus CDU und SPD – einer „satten“ Mehrheit für ihren von der Koalition bereits frühzeitig gutgeheißenen Haushaltsplan 2006 gewiss sein dürfen.
Dies ist auch der Grund dafür, weshalb ich auf Ihren ernstzunehmenden Änderungsantrag, meine Damen und Herren aus dem Lager von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, der heute mehrheitlich leider keine Beachtung finden wird, hier nicht weiter eingehe.
Ich darf Sie diesbezüglich um Verständnis bitten.
In diesem Jahr sind die Würfel mit der „Koalitionsvereinbarung“ erneut frühzeitig gefallen.
Wenn Sie, lieber Herr Even und Sie, lieber Herr Wienböker, dann an Ostern den Osterhasen mit dem „Überraschungsei“ zur SPD geschickt haben, Ihre Liebe zur „Ampel“ sei neu entflammt, so ist dem seitens der SPD mit einem „Korb“ begegnet worden.
Man ist halt – trotz des bereits schriftlich vereinbarten Verfalldatums Januar 2009 – zu verliebt, um grünes od. gelbes „Sperrfeuer“ wahrzunehmen; dabei passen die Brautleute in diesem Fall etwa so zusammen, wie als halte man eine Speckschwarte neben Schmergelpapier.
Tragisch ist dabei, dass diese zeitlich befristete junge Liebe nicht zur zuvor beklagten Transparenz führt.
Nein, sie scheint auf noch weniger Transparenz angelegt zu sein?
Die parallel zum Abschluss des „Ehevertrages“ einher gehenden Entscheidungen, wie das Festhalten an 200 m Wallausbau für € 380.000,00 als „Koalitionsbedingung“ sowie – scheinbar unabhängig von dem befristeten Bündnis – die dauerhafte, aus dem Hut gezauberte Präsentation eines „Beigeordneten“ – aber auch die überfällige Würdigung der Pannen bei der MARTa-Bauabwicklung, wo es mit dem Informationsfluss bzgl. der inzwischen von Dritten versuchten Endabrechnung, obwohl längst bekannt, erst nach dieser Sitzung weitergehen darf – dürfen zu Recht als „Fehlstart“ bezeichnet werden.
Weitere nichttransparente Vorgehensweisen deuten sich bereits an.
Was ist es aus der viel beschworene Transparenz des ehem. Bürgermeisterkandidaten und heutigen Bürgermeisters geworden?
Herr Bürgermeister, ich nehme Ihnen auch heute noch gern ab, dass Ihre seinerzeitigen diesbezüglichen Einlassungen von Ihnen ernst gemeint waren.
Ich darf aber hinzufügen, dass „gut gemeint“ natürlich genau das Gegenteil von „gut gemacht“ ist.
So werden Sie heute mit Ihrer neuen, zeitlich befristeten Mehrheit als weiteres Exempel den Schuldenhaushalt 2006 – ohne „wenn und aber“ – verabschieden.
Er weist – um es zu wiederholen – im Prinzip die gleichen Mängel auf, wie der Haushaltsplan des Vorjahres.
Und wieder gilt es – wie auf hoher See – mit dem Rückenwind des tollkühnen Gewerbesteueransatzes – alle Klippen umschiffend – den Hafen zu erreichen.
Wir vertrauen da voll auf die Gewerbetreibenden unserer Stadt.
Grund genug, meine Damen und Herren, den „Wirtschaftsstandort Herford“ – unser erklärtes Ziel seit dem 15. November letzten Jahres – nach Kräften zu stärken.
Dabei kommt es darauf an, sich täglich immer wieder neu die Frage nach ernsthaften Optimierungsansätzen zu stellen, bzw. stellen zu lassen und dabei – neben den vermeintlich schönen und großen Dingen, eben auch die kleinen Dinge im Auge zu behalten.
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, wenn ich morgens die beiden Herforder Tageszeitungen lese, dann lese ich gern zunächst das Zitat des Tages.
Heute war dort – als habe man gewusst, was uns heute umtreibt – ein Zitat von dem dt. Verleger und Herausgeber von „Die Zeit“ Gerd Bucerius zu lesen, der 1995 verstorben ist und heute auf den Tag genau 100 Jahre alt geworden wäre:
„Die Kraft, große Dinge zu entscheiden, kommt aus der ununterbrochenen Beobachtung der kleinen Dinge“.
Meine Damen und Herren, was sind große Dinge, und was sind kleine Dinge?
Sind es große Dinge, über die wir hier und heute sprechen? Sind es kleine Dinge?
Bewegt sich unser Haushalt, der sich aufteilt in einen Vermögenshaushalt in Höhe von – nimmt man das Papier unserer bereits entzauberten „Koalition“ – € 22.494.402 und einen Verwaltungshaushalt in Höhe von € 122.082.419 innerhalb extremimmanenter Grenzen?
Können wir so weiter wirtschaften, was bedeutet, dass wir – bei dem hohen Risiko des Gewerbesteuereinbruchs als einziger Einnahmequelle – weiter über unsere Verhältnisse leben?
Sie meinen ja – wir meinen nein!
Ich danke Ihnen dafür, dass ich zu Ihnen sprechen durfte.