Bürgerlicher Haushalt steht

04. Juli 2012 Bürgermeister Bruno Wollbrink und zwei SPD-Ratsherren enthalten sich der Abstimmung
Von Ralf Meistes, Herforder Kreisblatt

Die Stadt Herford hat seit gestern einen Haushalt für 2012. Er wurde mit einer Mehrheit von CDU, FDP, Bürger für Herford und Liste 2004 verabschiedet.

Wie bereits berichtet, war es in der Ratssitzung Mitte Juni zu keiner Haushaltsverabschiedung gekommen, da weder das bürgerliche Lager (CDU, FDP, Bürger für Herford und Liste 2004) noch das Bündnis aus SPD, Die Grünen, Die Linke und dem Parteilosen Bernd Reitmeier eine Mehrheit hatten (jeweils 22 Stimmen). Die Pattsituation war entstanden, weil ein CDU-Ratsmitglied krankheitsbedingt gefehlt hatte.

Bei der gestrigen Sondersitzung fehlten ebenfalls einige Ratsvertreter wegen Urlaub, Krankheit oder aus beruflichen Gründen. Weder Bürgermeister Bruno Wollbrink noch die SPD wollten jedoch diesen Umstand nutzen, um die faktische Mehrheit des bürgerlichen Lagers (23 Stimmen) zu überstimmen. Aus diesem Grund blieben Andreas Rödel und Uwe Pradel (beide SPD) der entscheidenden Abstimmung fern. CDU-Fraktionschef Wolfgang Rußkamp zollte diesem Verhalten Anerkennung.

Die wesentlichen Punkte des gestrigen Beschlusses lauten: die Gewerbesteuer wird nicht in dem Maße erhöht, wie von der Verwaltung vorgeschlagen (435 statt 440 Prozent). Dasselbe gilt für die Grundsteuer B (441 statt 446 Prozent). Stattdessen soll die Abwassergebühr angehoben werden.

Für eine verbesserte Übermittagsbetreuung an den Herforder Gymnasien sollen noch in diesem Jahr 200000 Euro für den Bau von Mini-Mensen bereit gestellt werden. Finanziert wird dieser Bau allerdings dadurch, dass die Erneuerung des Kunstrasenplatzes am Jahnstadion zunächst um ein Jahr verschoben wird.

Eltern, deren Kinder das offene Ganztagsangebot an den Herforder Grundschulen nutzen, zahlen künftig 50 Euro pro Monat (bislang 30 Euro). Einer Staffelung von 40 und 60 Euro, je nach Einkommen, wie sie der Bürgermeister in seinem Kompromisspapier unterbreitet hat, wollten CDU und FDP nicht folgen. »Dann müssten wir wieder Verwaltungskräfte damit beschäftigen, die Einkommenssituation der Eltern zu klären, um die Berechnungen vorzunehmen«, begründete Rußkamp. Dies koste zusätzlich Geld.

Derartige Prüfungen fänden bereits statt, weil es auch einen Freibetrag gebe, entgegnete Angela Schmalhorst (Die Grünen).

Die City-Wache will das bürgerliche Lager, anders als Rot-Grün, erhalten. Stattdessen soll das Jugendzentrum FlaFla geschlossen werden. Im Seniorenbereich sollen 40000 Euro eingespart werden, 10000 Euro bei den Stadtteilzentren und 30000 Euro im Haus unter den Linden. Vor allem die SPD wollte dies verhindern und hatte mit den übrigen Partnern eine Halbierung der von der Verwaltung vorgeschlagenen Summe ins Spiel gebracht. Statt 40000 sollten im Seniorenbereich 20000 Euro gespart werden. SPD-Fraktonschef Horst Heining erklärte, er bedauere, dass das bürgerliche Lager dem Kompromissvorschlag des Bürgermeisters nicht habe zustimmen können. »Beschwerden über die Auswirkungen der Beschlüsse werden wir an Sie weiterleiten«, kündigte er an.

Wollbrink erklärt:

Eines wollte Bürgermeister Bruno Wollbrink in der Ratssitzung klarstellen. Der größte Konsolidierungsbeitrag für den Haushalt wäre zustande gekommen, wenn der Rat dem ursprünglichen Verwaltungsvorschlag gefolgt wäre. Dass jährliche Defizit hätte dann noch 9,2 Millionen Euro betragen, fällt aber gegenüber den Vorschlägen des bürgerlichen Bündnisses (-9,67 Mio. Euro) und dem Rot-Grünen-Vorschlag (-9,73 Mio. Euro) niedriger aus.

Erst nach der Pattsituation habe er einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der dann ein Defizit von 9,9 Mio. Euro vorsah. In den Punkten geringere Steuererhöhung, Verschiebung der Sportplatzsanierung und Pauschale bei den OGS-Beiträgen könne er der CDU nicht folgen.

Mit der Begründung, er wolle die tatsächliche Mehrheit im Rat nicht verändern, enthielt er sich der Stimme.

SPD macht Mehrheit möglich

04. Juli 2012 HERFORD Im Stadtrat wird im zweiten Anlauf der Haushaltsplan 2012 verabschiedet
VON HARTMUT BRAUN

Entscheidung | FOTO: RALF BITTNER

Mit 18 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung hat der Stadtrat gestern in einer Sondersitzung den von CDU, FDP und zwei Wählergemeinschaften getragenen „bürgerlichen Entwurf“ als Haushaltsplan für 2012 beschlossen. Er enthält ab 2013 höhere Steuerhebesätze für Gewerbe und Grundbesitzer, eine Anhebung der Abwassergebühr sowie Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich.

Mit dem Beschluss endete die ungewöhnlichste Etat-Runde der jüngeren Stadtgeschichte. CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Rußkamp war sich noch kurz vor der Sondersitzung des Rates seiner Sache nicht sicher. Erst als in der Sitzung des Hauptausschusses sowohl Bürgermeister Bruno Wollbrink (SPD) als auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Heining versicherten, sie wollten die „zufälligen Mehrheitsverhältnisse“ des Tages nicht ausnutzen, trat eine gewisse Entspannung ein.

Tatsächlich musste die CDU an diesem Nachmittag gleich auf vier Mitglieder – Werner Seeger, Gustav Meyer zu Hartum, Patrick Ruffo, Ralf Grebe – verzichten; außerdem hatte sich bei der FDP Dr. Christine Paul entschuldigt. Auf der anderen Seite fehlten nur Hans-Jürgen Rühl und Manfred Mohning (beide SPD). Wenn alle da sind, hat das „bürgerliche“ Lager im Rat eine Mehrheit von 23 zu 22.

Die Grünen vertraten in dieser Situation den Kompromissvorschlag des Bürgermeisters – er trage auch CDU-Positionen Rechnung. Doch die SPD hielt ihr Wort: Wollbrink rief bei der entscheidenden Abstimmung sofort den CDU/FDP-Antrag auf. Jetzt verließen Andreas Rödel und Uwe Pradel (beide SPD) den Saal; Wollbrink selbst übte Stimmenthaltung. So ergab sich eine bürgerliche Mehrheit.

Zuvor hatte die SPD erneut die inhaltliche Nähe beider Lager betont und auf Kompromissbereitschaft gedrängt, während Rußkamp das zurück wies und erneut von „im Kern unterschiedlichen“ Haushaltsentwürfen sprach.

Erleichtert nahmen Beschäftigte im Offenen Ganztag der Grundschulen das Ergebnis zur Kenntnis – sie hätten (NW von gestern) sonst mit Kündigung rechnen müssen.

Stadtsportbund-Sprecher Hans-Joachim Zedler beklagte die Kompromisslosigkeit der Mehrheit: Die Sanierung des Kunstrasenplatzes am Stadion muss ein Jahr warten.

Und eine Gruppe aus dem Fla Fla nahm zur Kenntnis, dass ihr selbstverwaltetes Jugendzentrum nach 40 Jahren aus der städtischen Förderung ausgeschlossen wird.

Kommentar

Zum Haushalt 2012
VON HARTMUT BRAUN

Am Ende hat Wolfgang Rußkamp sich also durchgesetzt: Erstmals seit 2004 hat es gestern in Herford wieder eine bürgerliche Haushaltsmehrheit gegeben.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende hat sie Mitte Juni in wenigen Tage zusammen gebracht und gegen verlockende Kompromissangebote der anderen Seite hartnäckig zusammen gehalten. Insofern darf er sich als Sieger des gestrigen Nachmittags fühlen. Aber was ist das für ein Sieg? Und was für eine Mehrheit?

Damit sie zu Stande kam, mussten gleich drei Abgeordnete des rot-grünen Lagers gegen ihre Überzeugung handeln – Rußkamp hat allen Grund, sich bei denen zu bedanken. Und dass sich da aus CDU, FDP und den beiden Wählergemeinschafts-Akteuren eine dauerhafte, gestaltungsfähige Mehrheit fügen könnte, die die finanziellen Probleme der Stadt wirkungsvoll anpackt, das glaubt auch bei den Christdemokraten niemand.

So bleibt der CDU allein der Triumph, dem Bürgermeister mal eins ausgewischt zu haben. Früher hätte das für „bürgerliche Politik“ nicht gereicht. Wollbrink hat es sich mit seinem Kompromissvorschlag gewiss zu leicht gemacht.

Aber zu seiner Grundüberlegung, die Akteure im Rat zusammen zu führen, gibt es auch nach den jüngsten Ausflügen ins Lagerdenken keine Alternative. Bis es dazu kommt, muss indes noch viel Misstrauen abgebaut werden.

Leerstände auf dem Land

Herford, 03. Juli 2012  Haus & Grund beklagt Mietpreisverfall
Von Bernhard Hertlein, Westfalen-Blatt

Zweitklassige Wohnungen auf dem Land sind immer schwerer zu vermieten.

Das gilt nach Auskunft von Rüdiger Dorn, OWL-Bezirksvorsitzender des Vereins Haus & Grund, auch für die ländlichen Regionen in Ostwestfalen-Lippe.

»Die Zahl der Wohnungen, die in Gemeinden wie Horn-Bad Meinberg oder Höxter nicht mehr vermietbar sind, wird ständig größer. « Dabei gehe es außer um die Lage und Schönheit der Wohnung vor allem um den energetischen Zustand.

»Wer da in den vergangenen zehn Jahren nicht investierte, hat bei einer Neuvermietung Probleme – unabhängig davon, dass er sich die Investition vielleich finanziell einfach nicht leisten konnte.« Die Lage verschlimmere sich noch durch den Preiseinbruch bei den Mieten.

Immer mehr private Hausbesitzer müssten sie bis unterhalb der Rentabilitätsgrenze senken, um einen völligen Leerstand zu vermeiden.

Die Probleme, glaubt Dorn, werden sich infolge des demographischen Wandels und noch weiter gehender Vorschriften zur Wärmedämmung und Energieeinsparung schon in naher Zukunft verstärken. Deshalb sei es notwendig, dass den Wohnungsvermietern nicht zusätzlich »durch ungerechte gesetzliche Vorschriften das Leben schwer gemacht wird«.

In diesem Zusammenhang lobt Dorn allerdings die augenblickliche schwarz-gelbe Mehrheit im Deutschen Bundestag. Die geplante Rechtsänderung gebe den Vermietern endlich bessere Möglichkeiten, gegen sogenannte Mietnomaden vorzugehen. Das Recht, die Miete im Falle von Mängeln zu mindern, werde zwar nicht eingeschränkt. Doch führe es künftig nicht mehr zwangsläufig dazu, dass eine Minderheit von Mietern das Geld bis zum endgültigen Urteil zurückhalten könne. Weil auch anschließend meist kein Geld zu holen gewesen sei, gingen die Vermieter bislang oft leer aus.

Künftig kann der Richter verfügen, dass die strittige Miete bei Gericht hinterlegt wird. »Verweigert der Mieter auch dies, kann die Räumung ganz schnell per einstweiliger Verfügung angeordnet werden«, freut sich Dorn.

Der Hausbesitzerverband Haus und Grund zählt in Ostwestfalen-Lippe etwa50 Ortsvereine und 23 500 Mitglieder. Der Vorsitzende Rüdiger Dorn, im Hauptberuf Rechtsanwalt und Notar in Detmold, gehört seit 29 Jahren dem Bezirksvorstand Ostwestfalen-Lippe an. Sein Stellvertreter, der Bielefelder Rechtsanwalt Martin Mücke, wurde am Wochenende auf der Bezirksversammlung in Hiddenhausen bei Herford in seinem Amt bestätigt. Geschäftsführer ist Jürgen Upmeyer.

Haus und Grund wehrt sich gegen Funktionsprüfung

Herford, 03. Juli 2012  Herausforderungen wegen des demographischen Wandels
NEUE WESTFÄLISCHE

(he). Der demographische Wandel sorgt bei den Mitgliedern der Eigentümerschutz-Gemeinschaft „Haus & Grund“ Ostwestfalen-Lippe für tiefe Sorgenfalten. „Wir können davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit in einigen Gemeinden Häuser und Wohnungen nicht mehr vermietet oder verkauft werden können“, sagte der Vorsitzende des Regionalverbandes, Rüdiger Dorn, beim Verbandstag in Herford.

Um voraussichtlich rund 100.000 Einwohner werde Ostwestfalen-Lippe bis 2030 schrumpfen, weshalb bis zu 50.000 Wohnungen leerstehen könnten. Abhilfe will Haus & Grund mit der Initiative „Kooperation im Quartier“ (KIQ) schaffen, in der Zukunftsmodelle erarbeitet werden sollen.

Der Bevölkerungsschwund gerade in ländlichen Bereichen war jedoch nicht der einzige Punkt, der die Haus- und Grundeigentümer umtrieb. Auch die von der neuen Landesregierung wieder angestoßene Dichtheitsprüfung privater Abwasserkanäle sorgte für Zündstoff. „Die Bürger gehen auf die Barrikaden“, sagt Haus & Grund-Geschäftsführer Jürgen Upmeyer. Allein in OWL hätten sich 63 Bürgerinitiativen gegen die inzwischen als „Funktionsprüfung“ bezeichneten Pläne gegründet. Haus & Grund befürwortet hier keine vollständige, sondern eine bedarfsorientierte Kanalprüfung. Zudem soll eine bundeseinheitliche Regelung gefunden werden. „Das wäre das Vernünftigste“, so Upmeyer.

Martin Mücke als Vositzender bestätig

Personell bleibt beim Eigentümerverband bei steigenden Mitgliederzahlen alles beim Alten: Der Bielefelder Martin Mücke wurde als stellvertretender Vorsitzender bestätigt. Norbert Stukenbröker (Lemgo) bleibt dem Vorstand als Beisitzer erhalten.