Herford, 16. Juni 2012 Patt-Situation nach der Etatdebatte / Kurz vor den Ferien soll ein neuer Anlauf genommen werden
VON HARTMUT BRAUN, NEUE WESTFÄLISCHE
Beide Lager wollen die Steuern erhöhen, beide sind zu höheren Belastungen der Bürger bereit. Außerdem wollen „Bürgerliche“ genau wie „Rot-Rot-Grün“ die städtische Infrastruktur erhalten. Trotzdem endete die Etatdebatte des Rates gestern in einem Patt: Zwei Etat-Entwürfe wurden bei Stimmengleichheit abgelehnt. Herford bleibt ohne rechtskräftigen Haushalt.
Das bedeutet, dass Investitionen nicht getätigt und bestimmte Zuschüsse nicht ausgezahlt werden können. Auch für die Verlängerung von Verträgen, etwa im Offenen Ganztag, könnte es Probleme geben.
So spannend war es selten im Rat. Erstmals standen sich zwei scheinbar geschlossene Lager gegenüber: Auf der einen Seite SPD und Grüne, unterstützt von Bürgermeister Wollbrink (SPD) und den Linken Erika Zemaitis (Linkspartei) und Bernd Reitmeier (parteilos; auf der anderen CDU und FDP mit Heiko Krüger (Bürger für Herford) und Heinz-Günther Scheffer (Liste 2004).
Scheffer verkündete allerdings, er könne auch gut dem anderen Lager angehören; die CDU habe aber versprochen, ihm „für dieses Bündnis heute Abend einen auszugeben.“ Die Lacher waren auf seiner Seite.
Dieses „bürgerliche“ Lager hätte nun an sich eine Mehrheit von 23 zu 22 Stimmen gehabt, wenn nicht Ratsmitglied Werner Seeger (CDU) nach einem Unfall das Bett hüten müsste. Also ein Patt: Horst Heining (SPD) wollte daher noch vor Einstieg in die Debatte eine große Mehrheit aushandeln: Man liege doch gar nicht so weit auseinander, stellte er später auch in seiner Haushaltsrede fest, in der er die „Tugend des Kompromisses“ ins Zentrum rückte.
Doch die CDU wollte nicht mehr. Wolfgang Rußkamp (CDU) sprach von unterschiedlichen Politikstilen: Seriosität auf der einen, Populismus und Ideologie auf der anderen Seite. Herbert Even (Grüne) warnte davor, unnötig weitere Gräben aufzureißen. Lothar Wienböker sieht in Herford die Gefahr eines „Sozialismus unter grüner Führung“. Auch die vier Fraktionslosen im Rat nahmen das Wort: Heiko Krüger (Bürger für Herford) ist für mehr Kürzungen bei Marta, Erika Zemaitis (Linke) will die Wirtschaft stärker belasten. Bernd Reitmeier begrüßt die Rückführung der SWK in rein kommunale Trägerschaft. Scheffer warnt vor der Schließung der Citywache: „Ich habe Angst in dieser Stadt.“
Hauptthemen waren neben der Steuererhöhung die Zukunft der Citywache und der SWK, das Ende des Fla, die OGS-Beiträge und immer wieder die defizitäre Haushaltslage.
Am Ende versuchten CDU und FDP, ein SPD-Mitglied und speziell den Bürgermeister auf ihre Seite zu ziehen – entweder aus inhaltlichen oder aus Fairnessgründen, damit die regulären Mehrheitsverhältnisse wieder hergestellt würden. Bruno Wollbrink lehnte sofort ab: Er stehe dem rot-grünen Entwurf näher. Nach einer zweiten Sitzungsunterbrechung sagte namens der SPD auch Heining ab. In seiner Etatrede hatte er noch vor einem haushaltslosen Zustand gewarnt. Jetzt müssen beide Lager sich neu orientieren. Ein zweiter Anlauf kurz vor den Sommerferien zeichnet sich ab.