Herford, 13. Juni 2012 Die beiden Fraktionen verständigen sich – und werben um zusätzliche Unterstützung
Von Hartmut Braun, NEUE WESTFÄLISCHE
Eine Woche nach dem Scheitern der schwarz-roten Haushaltsverhandlungen haben sich am Montag SPD und Grüne auf einen gemeinsamen Vorschlag für den Haushalt 2012 geeinigt. Sie verfügen allerdings nicht über eine Mehrheit im Stadtrat. Jetzt werben sie bei den anderen Parteien um Unterstützung.
„Es geht darum, die Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern“, sagt Hans-Jürgen Rühl (SPD) in Vertretung seines aus privaten Gründen verhinderten Fraktionsvorsitzenden Horst Heining. „Es wäre ein Armutszeugnis für den Rat, wenn er ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der Rahmendaten nicht imstande wäre, einen Haushalt zu verabschieden“, meint Angela Schmalhorst (Bündnis 90/Grüne). Noch einmal Rühl: „Wir sind bereit, Verantwortung zu überrnehmen.“
Die Verhandlungen von CDU und SPD, die im Jahr zuvor noch eine große Haushalts-Koalition gebildet hatten, waren am 5. Juni gescheitert. Noch am gleichen Tag trafen sich SPD-Leute erstmals mit den Grünen.
Man sei sich rasch über die Eckpunkte einig gewesen, sagten Sprecher beider Fraktionen gestern in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Montag segneten beide Fraktionen das Papier ab, „einstimmig“, wie Udo Freyberg (SPD) hervorhebt.
„Wir folgen im Großen und Ganzen dem Vorschlag des Kämmerers“, sagt Herbert Even (Grüne). Dazu gehört die Akzeptanz der von Kämmerer Manfred Schürkamp geforderten Steuererhöhungen, die 2,3 Millionen Euro für das Stadtsäckel bringen sollen.
An Parkgebühren sollen 250.000 Euro zusätzlich eingenommen werden. Für den Offenen Ganztag an Grundschulen sollen ab 2013/14 gestaffelte Entgelte bis 140 Euro monatlich eingeführt werden. Zugleich verständigte man sich auf die Rücknahme einiger Kürzungsvorschläge im Sozial- und Jugendbereich.
So soll dem Fla der Geldhahn doch nicht abgedreht werden. Die Kürzungen bei der Seniorenarbeit werden gestreckt.
Der städtische Immobilienbetrieb (IAB) bekommt zusätzlich 800.000 Euro für dringende Sanierungsarbeiten: Diese sollen aus dem IAB-Eigenkapital finanziert werden. Und für neue Mensen an den Gymnasien stehen danach 2012 und 2013 jeweils 100.000 Euro zur Verfügung.
Die Grünen opfern die einst von ihr mit der CDU durchgesetzte Befreiung von Kita-Gebühren für das zweite Kita-Jahr. Die SPD ist bereit, mittelfristig auf die Citywache zu verzichten, deren Aufstockung sie gerade im vorletzten Jahr noch gefordert hatte.
Gemeinsam verfügen SPD und Grüne (inclusive Bürgermeister Bruno Wollbrink ) über 20 von 45 Stimmen im Rat, CDU und FDP bringen es auf 21 Stimmen.
Verabschiedet werden kann der rot-grüne Entwurf nur, wenn eine größere Anzahl von Mandatsträgern entweder mit Ja stimmt oder Stimmenthaltung übt. Die Ratssitzung beginnt Freitag um 16 Uhr.
Kommentar
Haushalt 2012 – Der Rat in Zugzwang
Von Hartmut Braun, NEUE WESTFÄLISCHE
Mit ihrem überraschenden gemeinsamen Vorstoß bringen Grüne und SPD das „bürgerliche Lager“ im Rat in Zugzwang. Dabei handelt Rot-Grün aus einer Minderheitenposition: Selbst mit den beiden „linken“ Stimmen im Rat reicht es nicht. CDU, FDP und die beiden Einzelkämpfer Scheffer und Krüger können Rot-Grün stoppen.
Nur: Wollen sie das? Theoretisch könnten sie ihrerseits eine Haushaltsvereinbarung erarbeiten und dem Rat zur Abstimmung vorlegen. Doch die würde entweder ebenfalls Steuererhöhungen und soziale Grausamkeiten enthalten oder die Stadt durch ein noch höheres Defizit direkt in die Haushaltssicherung führen. Bei einer Vertagung dagegen würde der Druck derer wachsen, die auf Geld von der Stadt warten. Wie man’s auch dreht: Eine Verständigung am Freitag ist von allen schlechten die beste Lösung.
Info
Von Citywache bis SWK
Die Änderungsvorschläge von SPD und Grünen zum Etatentwurf des Kämmerers summieren sich für 2012 auf weitere Mehrbelastungen um 60.000 Euro.
Um diesen Betrag steigt das zuvor auf rund 10 Millionen Euro bezifferte Defizit des Haushaltsjahres 2012.
Ohne die von Rot-Grün übernommenen Vorschläge zu Steuererhöhungen läge das Defizit um 2,3 Millionen Euro höher.
Teil der rot-grünen Haushaltsvereinbarung ist die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Partner Veolia über die Umwandlung der SWK GmbH in eine rein kommunale Anstalt des Öffentlichen Rechts (AÖR) ab 2014. Als AÖR wäre der Betrieb von der Mehrwertsteuer befreit, was die Gebührenzahler jährlich um 700.000 und den städtischen Haushalt um 300.000 Euro entlasten würde.
Mit dem Land soll über die Übernahme der Citywache ab 2014 verhandelt werden, die die Stadt 114.000 Euro kostet.
Die Kürzung bei der Seniorenarbeit soll für 2012 auf 20.000 Euro halbiert werden, wovon das Haus Unter den Linden 15.000 Euro tragen soll.
Die aufsuchende Pflegeberatung (67.000 Euro) wird nicht auf den Kreis übertragen oder aufgegeben, weil man damit 200.000 Euro sparen könne.