Herford, 01. Mai 2010 Scheffer: „Das können wir auch; wir müssen es nur wollen!“
„Wir haben die Chance eines Bürgerhaushaltes wieder einmal verpasst“, sagt Heinz-Günther Scheffer, Ratsmitglied der FW Freien Wähler der unabhängigen Wählergemeinschaft der „Liste 2004 – Initiative für Herford„. „Dies ist bedauerlich, zumal gerade ein Bürgerhaushalt Transparenz schafft, die die gestern verabschiedete Haushaltssatzung wiederum gänzlich vermissen lässt.“
„Auch der Rat hat das ihm nun einmal auch nach der Gemeindeordnung des Landes NRW zustehende Budgetrecht wiederum allenfalls halbherzig, bzw. gar nicht wahrgenommen.“
10 Wochen nach der Einbringung des Haushaltes 2010 durch die Verwaltung hat statt dessen am gestrigen Freitag eine Mehrheit von CDU und SPD – mit den Stimmen also von lediglich 32 der 44 Herforder Ratsmitglieder – die Haushaltssatzung für das laufende Kalenderjahr 2010 beschlossen.
Das „Konsenspapier“ von CDU und SPD wurde am Vorabend durch das Bürgermeisterbüro per Mail zugestellt. Zeit zur Beratung blieb da nicht mehr.
Für Ratsmitglied Scheffer ein Grund, im Verlauf der ebenso halbherzig geführten „Haushaltsdebatte“, für sich die Entscheidung zu treffen, im 11. Jahr der Ratszugehörigkeit erstmalig auf einen eigenen Beitrag zu verzichten, oder etwa einen vorverfassten allgemeinen Text zur Verlesung zu bringen.
Das Modellprojekt „Kommunaler Bürgerhaushalt“ in NRW
Das Innenministerium NRW und die Bertelsmann Stiftung führten in dem Zeitraum von November 2000 bis Sommer 2004 das Modellprojekt „Kommunaler Bürgerhaushalt“ durch.
In sechs Projektkommunen Castrop-Rauxel, Emsdetten, Hamm, Hilden, Monheim und Vlotho wurden verschiedene Instrumente und Modelle erprobt, um den kommunalen Haushalt für die Bürgerschaft verständlich aufzubereiten und die Bürger in den Prozess der Haushaltsaufstellung einzubeziehen.
Bei der Auswahl der Modellkommunen war es den Projektträgern besonders wichtig, dass unterschiedliche Stadtgrößen vertreten sind.
So hat die kleinste Kommune, die Stadt Vlotho, 21.000 Einwohner und die Stadt Hamm war mit 181.000 Einwohnern die größte der beteiligten Kommunen. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl in kleinen als auch großen Kommunen Bürgerhaushalte durchgeführt werden können, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Mittlerweile wurde in dem Pilotprojekt „Was wollen wir uns leisten?“ (2006) in Hamburg (über 1,7 Millionen Einwohner) und dem Bürgerhauhsalt Berlin-Lichtenberg (über 250.000 Einwohner) „Wir rechnen mit Ihnen!“ (2006, 2007, 2008, angkündigt: 2009) neue methodische Ansätze entwickelt, wie man auch in größteren Städten bzw. Bezirken Bürgerhaushalte durchführen kann.
So wurde in Hamburg der Haushaltsdialog ausschließlich und werden die Bürgerhaushalte in Lichtenberg mit wesentlicher Untersütztung des Internets durchgeführt, ein Aspekt, der in dem NRW-Projekt nur wenig berücksichtigt wurde, obwohl zur gleichen Zeit in Esslingen (knapp 100.000 Einwohner) ein Pilotprojekt durchgeführt wurde, in dem das Internet als Dialoginstrument zur Vorschlagsentwicklung eingesetzt wurde („Esslinger Haushalt im Dialog“, 2003)
Der Blick in die Zwischenberichte zeigt , dass die Schwerpunkte vor allem auf der Befragung der Bürger/innen und Bürger lag, und weniger – bis auf Ausnahmen – der Dialog gesucht wurde:
Die Modellkommunen werden mir ihren unterschiedlichen Ansätzen in den beiden Zwischenberichten vorgestellt.
Aus dem Modellprojekt „Kommunaler Bürgerhaushalt“ des NRW-Innenministeriums und der Bertelsmann Stifung (2000 bis 2004) ist ein sehr guter Handlungsleitfaden hervorgegangen, der sehr schön zu den einzelnen Phasen INFORMATION – KONSULTATION – RECHENSCHAFT Informations? und Beteiligungsinstrumente aufzeigt und nützliche Tipps gibt. Ein guter Einstieg in den Bürgerhaushalt, der auch Argumente gegen typische Vorurteile („Angesichts leerer Kassen ist die Durchführung eines Bürgerhaushaltes zu teuer“) liefert und überzeugend begründet.
Zu diesem Projekt gibt es drei Veröffentlichungen:
Abschlussbericht: Bertelsmann Stiftung und Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (2004): „Kommunaler Bürgerhaushalt – ein Leitfaden für die Praxis.“ Strategien für die Zukunft vor Ort: Bertelsmann Stiftung, Innenminsterium NRW; Gütersloh, Düsseldorf. [PDF | 1,94 MB ]
Der 1. Zwischenbericht: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und Bertelsmann Stiftung (2002): Kommunaler Bürgerhaushalt in Nordreihn-Westfalen. Zwischenbericht. Düsseldorf. [PDF | 710 KB]
Der 2. Zwischenbericht: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und Bertelsmann Stiftung (2003): Kommunaler Bürgerhaushalt in Nordreihn-Westfalen. Zweiter Zwischenbericht. Düsseldorf. [PDF | 1,2 MB]